Teil 4 Helsinki - Lahti

 

Reise Nordeuropa ab Ostern bis Herbst 2022, Teil 4 Helsinki - Lahti

Montag 30. Mai  Ekenäs - Helsinki

Obwohl die Finnen Eishockey-Weltmeister wurden, erleben wir eine ruhige Nacht ohne ohrenbetäubende Hupkonzerte wie bei den Tschüttelern! Zeitig ziehen wir los Richtung Helsingfors, die schwedische Bezeichnung Finnlands Hauptstadt. Unterwegs füllen wir bei der einzigen LPG Station in Finnland unsere Gasflaschen auf. 60 Euro ohne Zähleinheit, ja wenn man das Monopol hat, darf man die Preise selber festlegen. Hat jedenfalls gut klappt, das ist das Wesentliche. Schon vor dem Mittag treffen wir auf dem Rastila Camping in Helsinki ein.

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Verpflegung aus der Womo-Küche, Motorrad bereit, und los Richtung Porvoo. Da heute strahlender Sonnenschein herrscht, möchten wir das alte Städtchen besuchen. Am 28. März 1809 hielt Zar Alexander I. in Porvoo die erste finnische Reichstagsversammlung des neu gegründeten russischen Großfürstentums Finnland ab, bei der die finnische Staatsreligion und die Rechte des Reichstags bekanntgegeben wurden. So funktionierte das, ohne Volksabstimmung, der Stärkere befiehlt! Heute leben die Bewohner friedlich im alten Städtchen und flanieren wie wir durch die Gassen. Besonders reizvoll sind die alten Salzspeicher am Ufer des Porvoonjoki anzuschauen. Damit möglichst viele Familien ihre Salzhütten bekamen, wurden sie nicht breit, dafür in die Tiefe gebaut.

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Der Dom von Porvoo wurde im verlaufe des 15. Jahrhunderts gebaut und bei einem verheerenden Brand 2006 teilweise zerstört.

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Ach ja, das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen, Porvoo hat ein Skigebiet! Die Finnen sind bescheiden, sie geben sich mit wenig zufrieden.

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So tuckern wir zurück auf den Campingplatz, geniessen ein Raclett mit Schweizer Käse. Ja wenn man so an die Skisaison erinnert wird, da gehört was heimatliches in den Magen.

 

Dienstag 31. Mai  Waschtag - Ruhetag

Wie der Wetterfrosch prognosziert hat, weht zeitweise ein stürmischer Wind und es regnet ab und zu. So bleibe ich im geheizten Womo, während Marianne einen Waschtag einschaltet.

 

Mittwoch 1. Juni  Helsinki

Blauer Himmel, raus aus den Federn! Ohne Frühstück lösen wir für 24 Euro eine 5-Tageskarte für ÖV Benutzung Zone A+B. Hat zwar erst im 2. Anlauf geklappt, meine Finnisch Kenntnisse verstanden da was falsch. In 20 Minuten sind wir am Hauptbahnhof von Helsinki, das Abenteuer Stadtbesichtigung mit leerem Magen kann beginnen. Kaum drehe ich mich um, zwecks Foto vom Bahnhof zu schiessen, werde ich fast von einem Radfahrer gerammt. Die Landeier sind sich den Verkehr in der Stadt nicht mehr gewohnt, vor allem sollte man nicht mitten auf dem Radweg Hans Guck in die Luft spielen.
1919 wurde der von Eliel Saarinen entworfene Bahnhof eingeweiht. Das Gebäude wurde mit Elementen des Jugendstils und des Neoklassizismus während 15 Jahren gebaut. Heute würde so ein Bahnhof in 2 Jahren erstellt, allerdings als schmuckloser Betonklotz, da gefällt mir der alte Baustil schon besser.

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Gleich nebenan mit einem riesigen Vorplatz, damit die Besucher genügend Platz zum anstehen haben, sichten wir das im Romantikstil erbaute Suomen Theater. Dem bedeutenden Schriftsteller und Theaterschreiber Aleksis Kivi wird vor dem Theater mit einer Statue gewürdigt. Er blickt zwar etwas irritiert auf den Boden, ober er sich wohl ärgert, dass heutzutage seine Literatur nicht mehr so oft gelesen wird wie früher?

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Marianne hat für das Frühstück das Café Tiedekulma ausgesucht. Es sei sehr speziell und empfehlenswert hat ein Studierter geschrieben, logo, ist ja das Café der Universität. Soll leckere Kuchen und feine belegte Brötchen geben, so steht geschrieben. Sollte, ein Mandelcroissant ist die einzig brauchbare Auswahl, dabei habe ich mich so auf das Frühstück gefreut!
Ein paar Schritte weiter, und schon stehen wir vor dem Dom. Imposant erhebt er sich auf einem Hügel stehend gegen den Himmel. Entworfen von Carl Ludvig Engel, (hat der eigentlich alle Bauwerke in Finnland geplant?) im klassizistischen Stil mit markanter Kuppe, ist es weitherum sichtbar. Das Innere des Doms enttäuscht ein wenig von der Grösse, da haben wir etwas anders erwartet im vergleich zu anderen Kirchen. Gefällt uns aber die Schlichtheit, Luther hat Zeichen gesetzt mit seiner Glaubensrichtung der Einfachheit in den Kirchen.

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Auf dem Senatsplatz vor dem Treppenaufgang zum Dom wurde der Zar Alexander der II. verewigt. Details zu seinem Wesen und Wirken in Finnland entnehme man dem Link auf Wikipedia.

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Vor dem Besuch der Markthalle mit entsprechender Verköstigung liegt die Uspenski-Kathedrale fast auf dem Weg. Die 1868 im russisch-byzantinischen Stil erbaute Kathedrale ist die grösste orthodoxe Kirche im westlichen Europa. Zur Zeit der Errichtung war es ein weithin sichtbares Zeichen der russischen Herrschaft und Macht über Finnland. Das Innere der Kathedrale zeigt ein komplett anderes Bild als der Dom, hier herrschen bunte Farben und Figuren, sogenannte Ikonen vor. Jährlich werden über eine halbe Million Besucher gezählt.

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Nach so viel Kultur endlich mal etwas für die Gaumenfreuden! Der Marktplatz und die Markthalle laden zum Kaufen und Schmausen ein. Doch halt, mitten auf dem Marktplatz thront ein zweiköpfiger russischer Adler, mit finnischem Wappen auf der Brust, auf der Weltkugel. Das Denkmal, 1835 von Carl Ludwig Engel geschaffen, erinnert an den ersten Besuch der Zarin Alexandra Fjodorowa in Helsinki.

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Jetzt gibt es aber kein Halten mehr, der Magen knurrt. Nicht nur bei uns, die frechen gefiederten Viecher fressen einem aus dem Teller, wenn man nicht sofort mit den Speisen ins Zelt verschwindet. Wir verspeisen eine Fischsuppe in der Markthalle, wohlverstanden, eine Suppe für zwei Personen!

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Wie wär’s mit Inselbesuch? Im ÖV Ticket ist das Schiff auf Suomenlinna inbegriffen, nichts wie hin auf die 1991 ins Weltkulturerbe übernommene Festungsinsel. 1748, damals gehörte Finnland zum Königreich Schweden, wurden die Arbeiten an der Seefestung aufgenommen. 1808 übernahmen die Russen für 110 Jahre das Zepter, bis 1918, zum Ende des ersten Weltkrieges, als Finnland autonom wurde. Auch im 2. Weltkrieg dient die Festung als Stützpunkt für U-Boote und Küstenartillerie. Heute schmücken zahlreiche Museen und Restaurants die Insel, damit die vielen Besucher nicht verdursten oder verhungern beim Sammeln der vielen Eindrücke.

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In Welche Zukunft blicken wir? Wenn ich in ein paar Jahren den Bericht lese, kann ich es sagen, hoffen wir nicht zu düster und denken positiv, dass sich die Weltmächtigen wieder auf den Frieden besinnen. Die Insel beherbergt nicht nur militärische Bauten, auch ein Trockendock für alte Schiffe findet sich hier.

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Zurück auf dem Festland schleppen uns unsere müden Beine Richtung Nachtessen. Beim Anblick der nackten Meerjungfrau, diesmal nicht wie in Kopenhagen mit Unfall verbunden, kehren die stadtmüden Lebensgeister schlagartig zurück! Die Esplanadi, ein schmaler Grüngürtel, ist Treffpunkt der Stadtbewohner nach dem Feierabend.

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Normale Menschen gehen, wenn sie was Essen wollen, auswärts in ein entsprechendes Verpflegungsinstitut. Nicht so die fliegenden Ungeheuer. Sie attackieren einen friedlichen Bürger beim Glace schlecken, worauf das besagte Teil zu Boden stürzt und innert ein paar Sekunden von gierigen Vögeln verschlungen wird. Wir klauen nicht anderer Leute essen, nein, die Kultbeiz «Zetor» wird aufgesucht. Im etwas schummrigen Lokal, Treffpunkt nicht nur finnischer Traktorenliebhaber speisen wir vorzüglich Grossmutters Fleischbällchen mit Kartoffelstock und eingelegtes Randen- und Gurkengemüse. Die Metro bringt uns zügig heim, Beine hoch und Augen zu, das war ein erlebnisreicher Tag.

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Donnerstag 2. Juni  Regentag / Ruhetag

Für den Innendienst ist heute effektiv Ruhetag, der Aussendienst erledigt alle anstehenden Arbeiten. So ein Tag auf dem Campingplatz lässt diverses Erleben. Aktuell sind auch die Corona-Graupelze unterwegs. Das sind Neucamper seit Coronazeit, die auf Kreuzfahrten verzichten mussten, und sich nun als Camper versuchen. Zum Beispiel der Österreicher von heute Morgen. 10m neben dem Wasserhahn sucht er verzweifelt nach Wasser. Ich habe ihm dann gesagt, «hier isses, aber schüttest es nicht in den Benzintank, gell!» Oder am Nachmittag, als ich im beheizten Raum der Rezeption meine Websiteberichte erstellte, kamen ein St. Galler und ein Zürcher herein. «Zwei Plätze bitte, aber nebeneinander,» wünscht der Einte. Der Andere meint, «aber nur für eine Nacht, oder?» «Nein», entgegnet der Schlauere, «2 Nächte, wir gehen ja morgen Helsinki anschauen.» Aha, alles klar, oder? So erlebt man als qualifizierter Camper allerhand mit Freizeitkollegen.

 

Freitag 3. Juni  Helsinki

Für den 2. Tag Stadtbesichtigung habe ich diverse Orte in der Stadt ausgewählt, die wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aufsuchen wollen. So starten wir wieder mit der U-Bahn bis zum Hauptbahnhof, steigen ins Tram 3 und steigen beim Design District aus. Kleine Läden, nicht nur für Dinge des täglichen Gebrauchs werden hier angeboten. Auch Second-Hand-Shops oder halbe Künstlerläden prägen dieses Viertel. Eben Stadtleben live mit teils engen Platzverhältnissen und anderseits schönen Gebäuden.

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Wieder ein paar Strassenbahnstationen weiter unser nächster Stopp in der Huvilakatu Strasse. Alle Gebäude sind im Jugendstil erbaut worden und prägen dieses Viertel, auch farblich sehr anschaulich.

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Kleine Programmänderung, anstelle Weiterfahrt mit Trämli wird die nächste Etappe dem Meer entlang auf Schusters Rappen in Angriff genommen. Bringt meinen sorgsam geplanten Tag komplett durcheinander, aber Flexibilität ist das höchste Mass eines Reiseleiters.

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Gefühlte zigtausend Schritte später und gesättigt mit Eindrücken erreichen wir die alte Markthalle von Tag 1. Mein Fahrplan sieht aber Mittagspause in einer anderen Markthalle vor, trotz knurrendem Magen. Also 2 x Umsteigen und schon stehen wir vor der Hakaniemi Kauppahalli! Totaler Reinfall! Provisorium in neuem Bau, die alte Halle wird gerade renoviert. Auch das Essensangebot passt überhaupt nicht, wären wir doch nur bei der Halle am Hafen geblieben!

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Nächster Programmpunkt ein paar Stationen weiter sind die Mannerheim Statue, das in Renovation befindende Kiasma, Kunstmuseum mit Theater. Auch das Parlamentsgebäude und der Bürgerplatz erstrahlen mit oder ohne Sonnenlicht. Hier wird eifrig gearbeitet für die Militärparade von morgen Samstag.

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Unser nächstes Ziel heisst Temppeliaukio-Kirche, auf Deutsch Felsenkirche. Bereitet dem Programmchef einige Mühe mit geeignetem Verkehrsmittel zu finden, da dieser Strassenbahnabschnitt gerade saniert wird. So bleibt nichts anderes übrig als wieder 1km Fussmarsch! Lohnt sich aber, den die in den Felsen gehauene Kirche beeindruckt sehr. Zwar 5 Euro Eintritt, dafür mit musikalischer Einlage. Zugegeben, zuerst meinte ich das Brüderpaar sei am Instrumente stimmen, so quer klangen die Töne. Als dann aber am Ende applaudiert wurde, und sich die beiden bedankten, bemerkte auch ein ehemaliger Akkordeonspieler wie meine Wenigkeit, dass das gerade hohe musikalische Kunst war, die wir live erleben durften!

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Ja, der Tag und unsere Energie für Stadterkundung neigt sich dem Ende zu. Diesmal mit Bus ein paar Stationen, ein paar Schritte durchs Grüne und schon glitzert das Sibelius Monument in der Abendsonne. Die Skulptur der finnischen Künstlerin Eila Hiltunen ist dem finnischen Komponisten Jean Sibelius gewidmet. 

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200m weiter ist Kaffeepause im Regatta angesagt, wäre! Es gibt leider keinen richtigen Kaffee, nur das übliche filtrierte schwarze Gebräu, wir verzichten schweren Herzens.

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So treten wir die Heimreise zum Campingplatz an. Mit dem Bus bis Kamppi, dem riesigen Unterflur Busterminal, echt beeindruckend. Noch schnell Salat als Beilage für unsere Resten von gestern einkaufen, runter zur U-Bahn Station, und schon gondeln wir stadtauswärts bis zur Station Rastila.

  

Samstag 4. Juni  Helsinki

Heute haben wir mit «Mugge», dem Jungschileiter von «Loki» abgemacht. Er wohnt seit fast 4 Jahren hier in Finnland. Während wir gemütlich Mittagessen, findet einerseits in der Stadt eine Militärparade statt, anderseits feiern viele hübsch gekleidete junge Leute Schulabschluss. In Finnland ist nun für 10 Wochen Sommerferien, genau am 11. August beginnt wieder die Schule. Der Tag vergeht wie im Fluge, hat Spass gemacht der Austausch vieler gegenseitiger Erlebnisse der letzten Jahre untereinander.

 

Sonntag 5. Juni Pfingsten  Helsinki – Hämeenlinna

Gemütliches Packen, Schwatz mit Nachbarn aus Zürich, Entsorgen, so verlassen wir erst nach dem Mittag den Campingplatz in Helsinki. Ev. wird der ganze Platz von einem Investor mit Wohnblöcken überbaut, wäre schade um den für den Besuch von Helsinki ideal gelegenen Platz. In Hämeenlinna verschwindet das Blau vom Himmel, Petrus öffnet kurz seine Schleusen. Wir tätigen am Pfingstsonntag Einkäufe im grossen Laden, hat aber nur wenig Leute, dafür Emmi Raclettekäse. Macht das wirklich Sinn hier im Norden die Läden 365 Tage fast 24 h offen zu halten? Unseren Übernachtungsplatz neben der Burg erreichen wir über holprige Kopfsteinpflaster. So am See gelegen werfen wir noch die Köder aus, Marianne hat einen gröberen Hecht an der Angel, allerdings reicht es nicht bis zum Teller.

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Montag 6. Juni  Hämeenlinna- Tampere

Schon vor 9 Uhr erkunden wir per Rad die nähere Umgebung. Marianne hat Störung beim Flyer, keine Unterstützung. Man kann es auch als Fitnessprogramm anschauen. Die Burg Häme, erbaut um 1260, ist eines der wenigen Beispiele mittelalterlicher Backsteingotik in Finnland. Man überlege sich mal wie die um diese Zeit die Backsteine produziert haben. Erbaut wurde die Burg von den Schweden während ihrer Regentschaft in Finnland.

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Orte die am Wasser liegen, gefallen allen Leuten immer wieder, so auch uns hier in Hämeenlinna. Der obligate Cappuccino gehört natürlich dazu, wir stärken uns für die Weiterfahrt mit was Süssem, mmh, war lecker!

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Nach ein paar Kilometern schon der erste Kulturelle Stopp, die berühmte Heilig Kreuz Kirche, erbaut im 14. Jahrhundert, erwartet unseren Besuch. Ein Wallfahrtsort in Finnland, den die Pyhän Ristin Kirkko besass als Reliquien echte Holzsplitter vom Kreuz Jesus. Heute faszinieren die Kalkmalereien und Schnitzereien. Sogar auf selbstgebauten Instrumenten erklingen Töne während unseres Besuchs, dafür spenden was in die Unterhaltskasse. Beim Verlassen der Kirche unterhalten wir uns noch mit der deutschsprechenden Aufsichtsperson, die gerade das Abitur bestanden hat.

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Als nächsten Stopp wählen wir in Iittala, Glashütte und das Glasmuseum, das unweit entfernte Panzermuseum ist in der aktuellen Zeit nicht gerade unser Wunschziel. Leider ist am Montag Ruhetag, so bleiben ein paar Künstlerboutiquen übrig. Man sagt von der Kunst kann man nicht leben, da müsse man hartes Brot essen. Die doch in etwas höherer Preiskategorie erblickte Limousine bestätigt die Ausnahme, sogar einen Stuhl benötigt der arme Mann zum Einsteigen! Velofahren war mal, heute stehen die Stahlesel als Kunstobjekte den Besuchern Spalier.

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Ein Parkplatz mitten im See, da sollte es doch möglich sein etwas Abwechslung auf den Speiseplan zu bringen. Doch halt, hier benötigt man plötzlich eine Zusatzbewilligung zum Fischen. Haben wir nicht, haben wir auch nicht gelesen, wenn uns jemand frägt. Entsprechend fällt das Resultat aus, die Fische beissen nur auf patentierte Ruten, recht geschieht es uns.

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Bald erreichen wir den Härmälä Campingplatz in Tampere. Die gekiesten Stellplätze sind alle belegt, der uns zugewiesene Sumpfplatz befahren wir nicht. Unser 4 t Teil würde glatt im Morast versinken. So erhalten wir nach etwas Kauderwelschdiskussion, nid lugglaa gwinnt, einen akzeptablen Platz. Nachtessen, Resten von gestern, Roller startklar, der Aussichtsturm Näkötorni auf Pyynikki ist unser Ziel. Wir lassen die 161 Treppenstufen unbetreten, der Schindler Lift führt uns nach oben, wo wir eine grandiose Rundsicht auf Stadt und Land erleben dürfen.

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Um 22.45 Uhr verschwindet die Sonne für kurze 4 Stunden hinter dem Horizont, den Untergang erleben wir live, den Aufgang lassen wir sie alleine machen, da träumen wir von grossen Fischen!

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Dienstag 7. Juni  Tampere – Ikaalinen – Tampere

Der erste prächtige Sommertag mit Temperaturen deutlich über 20 Grad kündet sich an. Gemacht für eine Ausfahrt mit unserem motorisierten 2-Rad, dem Benzinbetriebenen natürlich. Als Erstes suchen wir ein Fischfachgeschäft auf, wir wollen endlich wissen wie das nun mit dem Angelpatent ist. 2 «topmotivierte» Arbeiter erklären uns im finnisch-englisch Gemisch, dass für die Seen mit einer Rute mit Kunstköder für ganz Finnland ein Patent benötigt wird. Flüsse gelten nicht, hier wäre wieder eine zusätzliche Erlaubnis erforderlich. In jedem R-Kioski erhält man gewünschte Bewilligung. Als Verkäufer sind sie nicht geboren, sonst hätten sie uns noch auf die bissfreudigen Köder aufmerksam gemacht, wir hätten sicher welche gekauft!
Gut gelaunt noch solch positiver Kunde erreichen wir unseren ersten Pausenplatz in Siuro. Ein kleines Kraftwerk nutzt die Wassermassen des Sees, Höhenunterschied etwa 5m, dafür etwas grössere Wassermengen. Am See baden Kinder, eine Frau wäscht Teppiche und spricht mit Marianne fliessend Warm- und Kaltwasser. Die lebenslustige Person ist 70 Jahre alt und erzählt was von Corona Impfung, aber so sicher sind wir uns auch nicht, aber lustig war es alleweil.

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Unterwegs kaufen wir frische Erdbeeren und eine Familienpackung Haselnuss-Glace. Da das Teil so tiefgefroren ist, nehmen wir noch die paar Kilometer bis zum Tagesziel unter die Räder. Meine Recherche gestern Abend fanden ein echtes Juwel für Marianne, die alte Markhalle von Ikaalinen sind im Navi eingegeben. Angekommen suche ich verzweifelt nach den Hallen, bis ich merke, dass ich da einem grossen Irrtum erlegen bin. Vanha Kauppala habe ich als Vanha Kauppahalli interpretiert! Aber hier ist mehr als «tote Hose», nicht einmal ein Foto lohnt es sich zu knipsen. Am Badestrand verspeisen wir das Nocciola und kehren unverrichteter Dinge zurück nach Tampere. Im R-Kioski erhalten wir unsere Fischpatente, ab sofort dürfen wir alles was wir bisher gemacht haben legal ausführen. Über entsprechende Resultate hoffe ich morgen berichten zu können.

 

Mittwoch 8. Juni  Tampere

Bis nach Mitternacht haben wir versucht die Fische zu motivieren, endlich nach unseren feinen Ködern zu schnappen, vergeblich. So ist erst kurz vor Mittag Tagwache, da es überraschen auch noch regnet, haben wir nichts verpasst. Unsere Radtour Richtung Stadt endet abrupt, Mariannes Velo streikt, keine Unterstützung, Motorfehler! Tapfer dreht sie trotzdem eine kleine Runde am See entlang mit mir, natürlich mit entsprechendem Zubehör um für das Nachtessen zu sorgen. Ein einziges kleines Egli schnappt zu, wir gönnen ihm die Freiheit und teilen uns den Hunger mit einer «kleinen» Aprikosenwähe, natürlich selber gebacken in unserem Backofen. Der Aussendienstmitarbeiter nimmt sich dem defekten Rad an, schraubt alles möglich auseinander, reinigt und trocknet die Bedienungseinheit und siehe da, der Motor unterstützt wieder. Nun noch die Knopfbatterie wechseln, hoffe dass die Fehlermeldung fürs Nächste nicht wieder auftaucht.

 

Donnerstag 9. Juni  Tampere

Tag 1 Stadtbesichtigung Tampere bei zeitweiligem Regenschauer. Da ist der Besuch des Vapriikki Museumszentrum gerade richtig für Schweizer Warmduscher, die lieber im Trockenen Besichtigungen vorziehen. Feuermuseum, Historisches Museum, Mineralienmuseum, Postmuseum, Affenausstellung, Hockey Hall of Fame, Games und Medienmuseum. Etwas gar viel aufs Mal, wenn man jede Info mit dem Google-Übersetzer bearbeiten muss. Entsprechend setzen wir Prioritäten, den Rest streifen wir eher gemütlich durch, speisen Lunch vom Buffett und beobachten die Wetterentwicklung.

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In der Nähe lädt der Dom zur Besichtigung ein. Erst im Jahre 1907 im Stadtteil Kyttäla erbaut, da diese Seite der Stromschnelle Tammerkoski infolge Handwerk- und Industrieansiedelung aufblühte und die bestehenden Kirchen aus allen Nähten platzten. Ja, das waren noch Zeiten, als man regelmässig Gottesdienste besuchte. Schlichte, aber besinnliche Kunstwerke prägen die Ausstattung, echt ein Besuch wert.

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Unser Verdauungsspaziergang führt uns ins Stadtzentrum, übers Wochenende findet die Gymnaestrada in Tampere statt. Stolz präsentieren sich sportliche Damen vor ihrem Auftritt.

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Sonnenschein wechselt mit Regengüssen ab, so beenden wir vor den nächsten Regenzellen unsere Besichtigung und fahren zurück zum Camping. Dort wird der Flyer von Marianne wieder fahrtüchtig gemacht, Batteriefehler zeigt es zwar immer noch an, aber die Maschine läuft wie geschmiert. Der kurz vor der Pension stehende Mechaniker kriegt dafür ein dickes Lob, ein Gelati wäre mir zwar lieber, aber besser als nichts!

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Freitag 10. Juni  Tampere

Wir starten unseren letzten Tag in Tampere. Der Aufenthalt dauerte etwas länger als vorgesehen, leider hat es mit dem geplanten Treffen nicht geklappt. Da ich infolge Unvorsichtigkeit beim Abladen des Velos meinen Spiegel abgebrochen habe, machen wir uns auf die Suche nach Velohändlern. Kein Erfolg, solche Teile kennen sie in Finnland nicht, hier fährt man auf gut Glück über die Kreuzung, die Automobilisten passen ja schon auf. Immerhin ein Erfolgserlebnis gilt es zu vermelden, Mariannes Rad funktioniert einwandfrei. Klopfe mir heimlich auf die Schulter, gut gemacht!
Wo heute mit 3 Kraftwerksstufen die wilde Tammerkoski-Stromschnelle gezähmt wird, toste vor über 100 Jahren das Wasser die 18m Höhendifferenz vom Näsijärvi in den Pyhäjärvi See hinunter. Dieses Wasser fliesst dann bei Porvi ins Meer. Naturschauspiel oder grüne Energie? Die Menschheit muss die Balance zwischen Nutzen und Schaden selber finden, wir sind doch intelligenter als Fische, oder?

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Auf der Dachterrasse des Einkaufszentrums sehen wir den Frauen beim gemeinsamen Proben ihres Auftritts an der Gymnaestrada zu.

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Wir verpflegen individuell am Buffett oder mit Schweizer Cordon-bleu finnischer Art, auf jeden Fall hats geschmeckt, so starten wir unsere Rundfahrt durch die Stadt. Vergnügungspark (mir wird nur schon beim Zuschauen übel), Näsikallio Wasser Fontäne, Virvatulet-Kunst und einfach die schöne Uferpromenade.

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Auf der Heimfahrt erblicken wir einen Fischer auf dem Bootsteg, solche Ereignisse erfordern einen sofortigen Stopp. Bereits 4 stattliche Eglis hat Nico, wie sich der Fischer vorstellt, gefangen. Nach kurzem Wortwechsel rasen wir im Tempo der gehetzten Grossmutter zum Camping, packen die Fischausrüstung und subito zurück. Als er unsere Ausrüstung erblickt stellt er mit Kennermiene fest, so fängt man nichts. Er knüpft uns einen Dropshot inkl. allem Zubehör und schon können wir loslegen. Einige kleinere Eglis sowie ein 35cm Zander beissen an. Zum Glück erklärt uns Nico dass man ihn erst ab 42cm pfannenfertige präparieren kann, eine Busse von bis 400 Euro droht sonst. Ja, auf die Technik kommt es halt an, bei unserem neuen griechischen Freund beissen sie laufend, bei uns halt selten. Wir bleiben bis fast um Mitternacht und erfahren noch das einte oder andere. Nico ist Architekt und hat schon einige Grossprojekte begleitet. Auch seinen 80cm Zander vom Frühling bestaunen wir noch auf dem Handy, so verabschieden wir uns und sind um ein spezielles Erlebnis reicher. Solch spontane Begebenheiten bereichern unsere Reise unglaublich.

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Samstag 11. Juni  Tampere – Lahti

Heute sind wir relativ früh munter, es heisst ja auch packen und weiter das Land der tausend Seen erkunden. Kurz nach Mittag erreichen wir den Parkplatz in der Stadt Lahti. Dunkle Wolken und blauer Himmel wechseln sich ab. Da der Lift auf die Skisprungschanze nur bis 15 Uhr geöffnet hat, entscheiden wir uns die Aussicht auf Lahti von oben als erstes zu erleben. Für 4 Euro AHV Preis dürfen wir mit dem Lift die 73 Höhenmeter überwinden. Der Ausblick «entschädigt» für das Liftfahren, hat leider keine Treppe, sonst hätten wir natürlich auf den Lift verzichtet.

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Zum Glück dürfen wir wieder mit dem Lift runter, nicht vorstellbar da mit den Sprungskis runterzufliegen. Mit unseren Rädern erkunden wir die Stadt, erleben einen europäischen Markt, der vor allem durch Food-Stände geprägt ist. Na dann, 1x Currywurst bitte! Bei wolkenlosem Himmel verbringen wir den Abend am Wasser und werfen unsere Köder aus oder schauen dem bunten Treiben am Hafengelände zu. Leider ist die Sibelius-Halle nicht zu besichtigen, erst am Montag wieder. Sie zählt als reiner Holzbau zu den akustisch besten Konzertsälen Nordeuropas. Bei traumhafter Abendstimmung vergisst man fast die Zeit, so wird es Mitternacht bis es Nachtruhe gibt, wenigstens im Womo, draussen feiern Jungs und Mädels weiter.

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Mit diesem wunderschönen Sonnenuntergang endet Teil 4, weiter geht es mit Teil 5, der Reise durch die finnische Seenplatte bis Karelien.